PSYCHO - Thriller

 Auf der Insel Galveston (Houston, Texas) wird an einem 30. Mai ein Ehepaar hingerichtet. Für diesen Mord wird eine deutsche Medizinstudentin zum Tode verurteilt. Genau 1 Jahr später, wieder an einem 30. Mai, erfolgt dieselbe Art der Hinrichtung, diesmal ein Paar am Wörther See. Schließlich sterben 2 Menschen im bayerischen Oberpfälzer Wald - Doppelmord oder eine Feuersbrunst?

 Anwalt Tom Wolfert hat eine vielversprechende Zukunft vor sich: Eine luxuriöse Villa am Starnberger See, den beruflichen Aufstieg und eine feste Beziehung. Als jedoch seine Schwester Jenny in Texas zum Tode verurteilt wird, stellt sich seine ganze Welt auf den Kopf. Sie ist unschuldig – dessen ist sich Tom sicher und begibt sich auf die Suche nach dem wahren Mörder. Doch die Geheimnisse, die er aufdeckt, katapultieren ihn mitten in ein Netzwerk aus Kindesmissbrauch, Gewalt, Erpressung – und mehreren Milliarden Dollar. Als wäre das nicht genug, begegnet er auch noch der mysteriösen Lena, die ihm auf Anhieb den Kopf verdreht. Mit fatalen Folgen.

Erscheinungsdatum : Juni 2017

Seiten : 374 Seiten

Cover : Softcover 13 x 20 cm
Sprachen : deutsch
Hrsg./Autor : Nicolas Cenway
aktuelle Auflage : 1

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LESEPROBE

Für die Reinigung des Körpers bedienen sich die Menschen der Kraft des Wassers.

Für die Reinigung der Seele bedienen sich die Menschen ihres Glaubens, den Glauben an ein überirdisches Wesen, den Glauben an eine schützende Gottheit, den Glauben an die eigene Zukunft, den Glauben, die Hoffnung nie zu verlieren.

Diese auf Tatsachen beruhende Geschichte taucht tief hinab in das Schicksal und die Seelen jener Menschen, die mit ihrem Glauben auch ihre Hoffnung verloren haben. Sie nutzen das Element Wasser nicht zum Reinigen, sondern ertränken darin die beschmutzten Körper ihrer Opfer und die verunreinigte Seele ihres verlorenen Ichs.

  <1>

 Tom Wolfert betrachtet sich im Spiegel. Das dezente und etwas süffisante Lächeln, das ihm dort begegnet, erweckt den Eindruck, mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Sunnyboygesicht, markantes Kinn, energische Züge, Typ Selfmademan, präsent und passend zu seinem Beruf: Deutschlands jüngster und erfolgreichster Staranwalt. Aufgrund seiner Abstammung vom Starnberger See nennen ihn viele den »Seewolf«. Ein Wolf auch im Gerichtssaal, vor dem die Robben und die Roben zittern. Ein vom Segeln in der Sonne und peitschender Seestürme gegerbtes Gesicht nickt stolz zurück. Die Mischung aus dunkel- und mittelblonden Haaren, links gescheitelt, rechts zu einer Mähne über die Stirn geschwungen, bedeckt seine von Sonne und Wetter gebräunte Haut, duftend nach frischem Wind, der im Tiefflug den Atem der Wellen aufnimmt und an die Haut der Anwohner weitergibt. Vitalität und Lebenskraft verleiten ihn dazu, sich anerkennend auf die eigene Schulter zu klopfen. Tom verlässt zielstrebig das Badezimmer, das dem Spiegelsaal eines Schlosses aus der Renaissance in nichts nachsteht. Die Deckenstrahler werfen ihr warmes, kristallenes Licht auf seine sportliche, drahtige Figur. Durchtrainiert, kraftvoll, topfit – geistig und körperlich. Kein Typ, der einen Anzug und eine Krawatte braucht, um seinem Auftreten Autorität und Respekt zu verleihen.

Seine Karriere als Strafverteidiger tauschte er gegen eine erfolgreichere ein. Als spezialisierter Wirtschaftsanwalt berät er die Größten der Großen, zimmert für sie internationale Verträge und unterstützt die Vorstände der von Skandalen gepeinigten DAX Unternehmen in kniffligen, juristischen Angelegenheiten. Betriebswirtschaft, Jura, internationales Steuerrecht. All diese Fächer hatte er in der Hälfte der Normzeit absolviert und war bei der renommierten Kanzlei Sollfrank in Starnberg als Juniorpartner eingestiegen. Sollfrank und Wolfert – binnen kurzer Zeit die Nobeladresse unter den Anwaltskanzleien der Münchener Schickeria und der deutschen Hochfinanz. Sollfrank übernahm die Schickeria, Tom, die Hochfinanz. Nicht immer war das auseinander zu halten.

 Ein kurzer Blick auf seine Rolex verrät, dass er sich nicht mehr allzu viel Zeit erlauben darf. Vielleicht zehn Minuten. Addiert er die notorische Unpünktlichkeit seiner Freundin Sarah dazu, verbleibt ihm eine knappe halbe Stunde. Genug Zeit, einen Blick in die Zeitung zu werfen. Sarah würde sicherlich den Rest des Abends beschlagnahmen. Und die Nacht? Außerdem könnte sie ihn erneut darauf ansprechen, vom Angebot ihres Vaters Gebrauch zu machen: Vorstandsmitglied in der Seewald AG zu werden, mit einem siebenstelligen Jahresbudget. Plus Boni. Toms Konflikt: Sollte er wirklich seinen Partner im Stich lassen und ein großer Wirtschaftsboss werden? Einer mit unmoralischem Einkommen und dem dazu passenden Führungsstil? Moral Hazard Goodbye! Aber durfte er die Chance seines Lebens einfach von der Tischkante der High Society fegen?

 Morgen wäre die Zeitung veraltet. Also – Konflikt verdrängen und sich von der Presse die Banalitäten des Lebens vor Augen führen lassen. Das muss ablenken. Tom wählt dafür die Terrasse. Von hier aus liegt ihm das Panorama, das er so liebt, zu Füßen. Der Blick auf den Starnberger See. Der See, der ihm seinen Spitznamen in der Branche eingebracht hat: Thomas Wolfert - Seewolf.

 Tom atmet tief durch. Seearoma. Malerische Landschaft, die Wohlstand und das »Ich-habe-es-geschafft«-Gefühl vermittelt. I’m simply the best, better than all the rest! Die Schlagzeilen der unhandlichen Tageszeitung buhlen um seine Aufmerksamkeit. Aber nichts interessiert ihn wirklich.

 Plötzlich springt ihm ein Name ins Auge: »Jennifer W.«

 Die ihm eigene Art, das Zeilenfressen zu überspringen, lässt ihn am Schluss des Artikels beginnen. Doch diesmal liest Tom die Zeilen ein zweites Mal. Er versucht seinen Verdacht abzuschütteln. Jennifer W.? Nein, sicher nicht die W., an die er denkt Warum liest er das überhaupt? Sein nachdenklicher Blick ruht auf dem See. Die Wellen schwappen aufgeregt gegen das Grundstücksufer. Sie trommeln in seinem Unterbewusstsein.

 Es klingelt. Sarah? Überpünktlich? Tom springt aus dem Korbsessel und verdrängt den Artikel, der sein Leben aus der Bahn werfen wird.

 <2>

1 Jahr zuvor - Badetag

 Mike und Ann Foster genossen die Frühjahrssonne auf Galveston Island, achtzig Kilometer südöstlich von Houston, Texas. Die weiße Villa der Fosters, wegen der Überflutungsgefahr in Strandnähe auf Stelzen gebaut, dennoch unverkennbar dem Weißen Haus in Washington nachgebildet, thront direkt am Golf von Mexiko, unterhalb der Stadt Galveston, am Ende von Jamaica Beach. Wie ein übermächtiges Stück Treibholz erstreckt sich die Insel vor der Küste unterhalb von Santa Fe. Allerdings ist dieses Treibholz aus einer Sandbank entstanden.

 Die Stadt Galveston wurde am 8. September 1900 von einem Hurrikan heimgesucht. Über achttausend Menschenleben, ein Fünftel der Bevölkerung, waren zu beklagen. Die Stadt wurde erhöht wieder aufgebaut und mit einer Schutzmauer umgeben, verlor allerdings ihre herausragende Bedeutung im Seeverkehr. Am 13. September 2008 um 2:10 Uhr Ortszeit spülte Hurrikan Ike fünf Meter hohe Wellen über die Dämme und zerstörte die größte Attraktion der Stadt, die neunundsiebzig Jahre alte Tanz- und Spielhalle Balinese Ballroom, in der schon Frank Sinatra aufgetreten war.

 Die Fosters hatten ihr Domizil auf der Insel, die als Naherholungsgebiet den Einwohnern der Region Houston dient, vor anderthalb Jahren, kurz nach dem Hurrikan, bezogen und fuhren nur gelegentlich nach Houston, um dort ihren geschäftlichen Pflichten nachzugehen. Von dem mittlerweile bedeutenden Tourismus der Insel – Moody Gardens und das Vergnügungszentrum Schlitterbahn Water Park – profitierte Mike Foster nur indirekt. Oft kamen Kunden in das weiße Haus am Golf, die sich als Touristen tarnten und damit einen ebenso unscheinbaren Eindruck hinterließen wie Mike und Ann selbst. Houston ist mit über zwei Millionen Menschen, die größte Stadt in Texas, weltberühmt für ihre Flugtechnikindustrie und ihr weltmarktführendes Zentrum für Zubehör und Förderung von Öl, sechstgrößter Hafen der Welt, in den USA die Nummer eins in der Frachtabwicklung ausländischer Waren.

 Die Fosters fanden als Einwanderer in Houston eine neue Heimat. Zehn Jahre lebten sie nunmehr in den Staaten, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In jenem Land, das auch für sie keine Grenzen aufzeigte. Trotz ihres Reichtums verhielten sie sich so unauffällig wie möglich und scheuten das Licht der Öffentlichkeit. Davon zeugte auch die hohe Mauer, die das weiße Haus und den angrenzenden Gartenbungalow vor Einblicken schützte.

 Der vorletzte Tag im Mai, ein Sonntag, erlaubte es, einen Badetag im Golf zu planen. Vierzig Tage zuvor, am 20. April, war es zu einer Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizon gekommen. Galveston Island war davon bis zu diesem Tag nicht betroffen und die Behörden rechneten nicht damit, dass der Ölteppich die Strände in diesem Teil der USA erreichen könnte. Fast 30 Grad Außentemperatur und der 24 Grad warme Golfstrom luden zum Baden ein. Mike und Ann streiften ihre Kleidung ab und legten die wenigen Meter zum hauseigenen Badestrand zurück. Dort sonnte sich bereits Jenny, die Studentin aus Deutschland, die im Rahmen ihres Medizinstudiums ein Auslandspraktikum in Houston absolvierte. Houston, der Sitz des weltweit bekannten Texas Medical Center, das die größte Konzentration von Institutionen für Forschung und Gesundheitsfürsorge beinhaltet, sollte für das nächste halbe Jahr Jennys Heimat werden. Zuvor boten ihr die Fosters die Gelegenheit, sich auf der Insel drei Wochen Auszeit zu nehmen. Studienurlaub.

 Allerdings bestanden Mike und Ann jetzt darauf, dass Jenny sich ebenfalls ihrer Kleidung entledigen sollte. Mike untermauerte diese Forderung, indem er überhastet an ihrem Bikinioberteil herumnestelte. Jenny war bestimmt nicht prüde, dennoch beschlich sie ein mulmiges Gefühl, als sie schließlich das Bikinihöschen über ihre sinnlichen Schenkel streifte und das bereits aufgeknöpfte Oberteil ablegte. Ihre festen, mittelgroßen Brüste waren nahtlos braun, da sie sich an einigen Nachmittagen getraut hatte, ein oben-ohne Sonnenbad zu nehmen. Allerdings nur dann, wenn sie sich unbeobachtet fühlte.

 Mike musterte das Mädchen mit den schulterlangen dunkelbraunen Haaren und den straffen glatten Gesichtszügen ungehemmt. Dabei interessierte er sich wenig für ihre dunklen Augen. Knackige Figur, etwas Babyspeck auf den Hüften – genau das Richtige für einen Mittfünfziger. Jenny wich seinem Blick aus und überging den Klaps, den er ihr auf den nackten Hintern gab. »Komm, schwimmen!«

 Mike und Ann rannten ausgelassen im flachen Wasser hin und her und winkten Jenny zu, ihnen zu folgen. Jenny wollte den Schutz des Wassers nutzen, ihre Blöße bedecken. Dazu musste sie weit hinaus ins Meer, denn der Golf von Mexiko verläuft bei Galveston sehr flach. Sie musste weit in den Ozean hinaus laufen, bevor die Wellen ihren Hals umspülten. Nein, sie schämte sich nicht wegen ihrer Nacktheit, es war wohl mehr ein Instinkt, der sie warnte.

 <3>

 Sarah überpünktlich – Tom erwägt einen Eintrag in seinem imaginärenGuinness Buch der Rekorde. Wie immer sprudeln ihr die Worte aus dem Mund.

 »Hallo, Wolfertinger!«

 Er hasst es, dieses Wolfertinger. Tom schweigt, lächelt und lässt den Kuss über sich ergehen. Die weißblonde Mähne duftet nach Lavendel und Puder, sie verströmt Luxus. Puderschnalli! So hat er sie insgeheim bezeichnet, als sie sich vor einem halben Jahr kennenlernten.

 Sie quasselt, was der schmale Schnatterschnabel hergibt. Erzählt von irrsinnigen Problemen, die eine junge Frau erfindet, wenn sie ansonsten keine Sorgen hat

 »Lauter Spastis unterwegs, ich habe in München eine halbe Stunde rumkutschen müssen, bis ich einen Parkplatz gefunden habe.«

 Ihre Worte bezeugen, welch unlösbare Konflikte das Leben einer Dreißigjährigen erschweren.

 Nachdem Tom erfährt, welche Boutiquen sie durchwühlt und wie viele armselige Verkäuferinnen sie gefoltert hat, wendet sie sich seiner Schlabberhose zu.

 »Wie läufst du eigentlich rum, Thomas Wolfert?«

 Tom verzichtet auf eine Rechtfertigung und lässt alles über sich ergehen. Zuerst zieht sie ihn aus, dann streift sie die Designerklamotten ab und zerrt ihn ins Schlafzimmer. Sie beteuert stets, er sei ein guter Liebhaber. Heute ist das anders. Tom erfüllt die Pflicht, auf die Kür muss sie vergebens warten. Schließlich liegt sie schmollend neben ihm.

 »Was ist los, Tom?«

 »Nichts. Was soll sein?«

 »Na, du hast doch was. Bist anders als sonst.«

 »War ein schwerer Tag. Außerdem habe ich vorhin einen Artikel gelesen, der mir zu denken gibt, obwohl ich weiß, dass er mich sicher nicht betrifft.«

 Sarah hört wie immer nicht zu, wechselt einfach das Thema.

 »Hast du schon mit Fritz gesprochen?«

 Toms Blut schießt unter die Schädeldecke, flutet sein Gehirn. Er braucht eine triftige Ausrede, findet aber keine bessere als die, dass sein Partner, Fritz Sollfrank, sich derzeit wegen eines Mandanten in Hamburg aufhalte. Daher hatte sich noch keine Gelegenheit für das geforderte Gespräch ergeben.

 »Mein Vater wird dich demnächst einladen und alles mit dir besprechen. Wie schnell kannst du überhaupt aus der Kanzlei raus?«

 Wie schnell? Tom kann diese Frage nicht beantworten. Da ist es wieder, dieses Zermartern: Ich tu’s, ich tu's nicht! Vorstand der Seewald AG, eine riesige Chance. Einmalig. Kann man das ausschlagen?

 Andererseits Fritz Sollfrank, Partner und Freund, Mäzen und Mentor während seines Studiums. Siebenundfünfzig Jahre alt und bereit, ihm eines Tages die Kanzlei zu überlassen. Würde Fritz das verstehen? Fritz hatte immer Verständnis für ihn gezeigt. Doch, er muss es nachvollziehen können, schließlich darf die Karriere mit sechsunddreißig nicht beendet sein. Und ein Verbleib in der Kanzlei – das wäre ein Endpunkt, ein Punkt, der keinen Freiraum für weitere Ziele, für neue Träume, zuließe. Tom verspürt den Drang, eine spontane Entscheidung zu treffen.

 »Sag deinem Vater, ich werde sein Angebot annehmen.«

 Sarahs schmale Nasenflügel scheinen leicht zu zittern. Das hat er schon mehrfach beobachtet, wenn sie aufgeregt war. Sie hat vergessen, dass der Sex an diesem Freitag nur eine Pflicht war, vergessen, dass er von einem Zeitungsartikel gesprochen hatte. Sarah wirkt happy. Tom dagegen grübelt und kann nicht aufhören über den Artikel und den Namen Jennifer W. nachzudenken.

 <4>

1 Jahr zuvor - Badetag

 Nach dem Bad suchte Ann den Halbschatten hinter einem der Strandkörbe auf und schlief dort ein. Das Schwimmen hatte sie ermüdet. Sie lag auf dem Rücken, eine Isomatte schützte sie vor dem heißen Sand. Ihre mollige Figur hob sich wie eine Sandburg ab. Trotz vieler Sonnentage war ihre Haut bleich und matt geblieben, die Schwimmreife um ihre Hüften und die üppigen Schenkel waren gezeichnet von Löchern und Kratern, die nicht als Folge von Hagelschlag zu deuten waren. Abstoßend.

 Jenny fühlte sich unwohl, schlüpfte rasch – gefolgt von Mikes Blicken – in ihren Bikini, der die Nässe ihrer Haut aufsog. Sie wirkte damit noch reizvoller. Das jedenfalls stand in Mikes Augen geschrieben.

 »Ich muss noch ein bisschen für die Uni arbeiten«, entschuldigte sie sich und lief hinüber zu dem kleinen Bungalow, der ihr die letzten beiden Wochen Schutz vor Mikes Nachstellungen bot.

 Mike stand wenig später – nackt, wie bereits zuvor – vor ihr. Geballte hundertzehn Kilo, 1,92 m groß – eine Figur wie ein fetter Schimpanse. Fehlte nur, dass er sich mit beiden Fäusten auf die Brust trommelte.

 Seinen unverhohlen dreinblickenden Augen konnte sie entnehmen, dass es kein Entrinnen gab. Seine stählernen Muskeln spannten sich an, der riesige Bizeps ließ keinen Zweifel daran, wer hier der Stärkere sein würde.

 »Du willst es doch auch, Jenny Mädchen.« Diese Wörter schossen wie scharfe Splitter aus den wulstigen Lippen und schnitten Wunden in ihre junge Seele. Nach diesen Worten deutete er nach unten, auf sein monströses Geschlecht.

 Jenny schüttelte verängstigt den Kopf. Ihre Knie zitterten, sie konnte kaum ihre Stimme finden. »Nein, Mister Foster, ich will das nicht.«

 »Nenn mich nicht immer Mister Foster«, zischte er sie an, zischte er sie an. Mike Fosters graue Stoppelhaare auf dem
schmalen Kopf sahen aus, wie einem Igel nachgebildet, einem Kurzstacheligel. Auf seinem breiten Nacken und in Verbindung mit seinem Schimpansenkörper sah er bizarr aus.

 Mike trat zwei Schritte auf sie zu. Jenny stand vor der Glasschiebetür und konnte nicht rechtzeitig ausweichen. Seine wulstige Hand fuhr in ihr Höschen und sie spürte zwei seiner fleischigen Finger, die lüstern die Pforte ihrer Tabuzone teilten, um sich dann in ihr zu vergraben, während seine aufgeblasenen Lippen die Luftzufuhr über Jennys Mund unterbrachen. Gleichzeitig umklammerte er ihren Körper mit einem seiner muskulösen Fangarme. Ein Korsett, das sie einschnürte und jede Bewegung nutzlos machte.

 Nachdem Mike sein Sperma in ihrer Scheide und auf dem hellen Velourteppich verströmt hatte, riss er sie hoch, schleppte sie in das angrenzende Schlafzimmer und nahm sie dort erneut, ohne ihr eine Chance auf Widerstand zu geben.

 Als er von ihr ließ, blieb Jenny liegen, zog die Decke als Schutzwall über sich und presste die Augenlider zusammen. Sie vermochte sich nicht mehr zu bewegen, wagte keinen Laut von sich zu geben. Sie brauchte eine Stunde, bis sie sich dazu entschloss, Lory anzurufen. Lory war aus Houston und hatte Jahre zuvor als Au Pair Mädchen die deutsche Sprache in ihrem Elternhaus erlernt. Die beiden gleichaltrigen Mädchen waren damals Freundinnen geworden. Lorys Vater gehörte zu den gefragten Forschern im Texas Medical Center, Jennys Vater, Inhaber und Chefarzt der renommiertesten deutschen Privatklinik am Starnberger See. Das verband die beiden Teenager. Ohne diese Verbindung hätte Jenny niemals ein Praktikum in Houston bekommen.

 Lory war nicht erreichbar. Als es dunkel wurde, [VW14] probierte es Jenny erneut. Lorys helle Stimme meldete sich: »Hi, Jenny.«

Jennifer Wolfert schluckte, versuchte, den Kloß in ihrer Kehle weg zu husten. Dann erzählte sie Lory unter Tränen was passiert war. Dieser Anruf war Jennys erster Fehler und einer der folgenschwersten, den sie begehen konnte.

 Der Abend war längst herein gebrochen. Mike und Ann betraten zusammen den Wellnesstempel im Nordflügel der Villa. Der Whirlpool sprudelte, Verwirbelungen und Schaumkronen luden zum Prickelbad ein. Das Philadelphia Harmonie Orchester intonierte monumental Haydns Sinfonie Nr. 94 in G-Dur, die Sinfonie mit dem Paukenschlag. Die Beleuchtung markierte dazu – im Takt der Musik – bizarre Schattierungen auf den nackten Körpern, die sich in der überdimensionalen Poolwanne räkelten. Mike war noch nicht satt an diesem Tag. Ann gab sich ihm zweimal hin und je mehr sie in wilder Ektase schrie, desto wilder wurde ihr unersättlicher Gatte. Erst zwanzig Minuten später saß Mike erschöpft auf dem Rand des Whirlpools. Sein Penis lag schlaff auf seinem Schenkel, wie ein Seehund auf einem trockenen Felsen. Er ließ sich zurück in die Wanne gleiten, drängte seinen ausgelaugten Körper an den seiner Frau und schloss die Augen. Wohl dosierte Fontänen aus den verschiedenen Düsen massierten seine und ihre ausgelaugtenMuskeln, die Musik führte sie hinab in die Tiefen der Entspannung. Ann dachte für einen Augenblick an das Datum: 30. Mai 2010. Eine bedeutsame Zahl, nicht für Ann und nicht für Mike. Bedeutsam allerdings für die Mörder, die sich im Schatten der Sauna verborgen hielten und abwarteten, bis das Ehepaar Foster dem Glauben verfiel, relaxt ein Leben in Luxus und Reichtum auf ewige Zeit genießen zu können.

 Die Sinfonie mit dem Paukenschlag übertönte alle Geräusche, die von den beiden Gestalten auf dem Weg zum Pool verursacht wurden. Dennoch – menschlicher Instinkt! Mike und Ann schlugen fast gleichzeitig die Augen auf, setzten zu einem gemeinsamen Schrei des Todes an, vermischt mit Haydns Paukenschlag und verwirbelt vom Spiel des Wassers, das sich im selben Augenblick rot einfärbte. Mike und Ann erkannten, wer sich da über sie beugte und blickten ein letztes Mal in  Augen voller Wut, die ihnen so vertraut waren. Doch in diesem Augenblick begleiteten diese Augen im Einklang mit dem Andante der Sinfonie den unausweichlichen Tod zweier Menschen, deren Badetag in einem Blutbad endete.

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 Die Schreie der Fosters durchdrangen die Mauern des weißen Hauses und bevor sie das offene Meer erreichten, rissen sie Jenny aus ihrer Lethargie. Sie lag immer noch regungslos auf ihrem Bett, hatte sich noch nicht dazu durchringen können zu duschen oder sich wenigstens zu waschen. Sie vergaß für einige Sekunden die Schmerzen zwischen ihren Beinen und rannte los. Über die offene Terrassentür drang sie in das Haus ein, hastete durch die Räume, bis sie das Bad erreichte. Fast wäre sie auf das Skalpell getreten, das funkelnd und blank poliert vor dem Whirlpool lag. Sie bückte sich, hob das kalte, blutverschmierte Metall auf und erstarrte beim Anblick, der sich ihr bot. Sie ließ die Mordwaffe fallen und stürmte zurück in den lichtdurchfluteten Wohnraum. Sie fand eines der Mobiltelefone, vergaß, dass sie nicht wusste, welche Nummer sie wählen sollte und stürmte zurück in ihr eigenes Schlafzimmer. Dort lag ihr Handy. Im Speicher fand sie die Nummer des Rettungsdienstes, die sie nach ihrer Ankunft bei den Fosters abgespeichert hatte: 911.

 Ihr Englisch war gut, aber sie stotterte zunächst einige deutsche Worte, musste sich von dem Teilnehmer in der Zentrale beruhigen lassen, bevor sie in der Lage war, ihre Entdeckung und die Adresse durchzugeben.

 Als die Polizei und der Notarzt mit der Ambulanz im Schlepptau endlich eintrafen, wagte es Jenny nicht, ihr Bett zu verlassen. Sie weinte und in diesem Zustand fand sie ein stämmiger Polizist, der seine Kollegen verständigte.

 Es dauerte über zwei Stunden, dann verhörten sie zwei weibliche Beamte. Dankbar erzählte sie, was sich an diesem Tag ereignet hatte. Die ältere Beamtin nahm sie mit und mit ihr alle Beweisstücke, die gegen Jenny sprachen: Das Skalpell mit ihren Fingerabdrücken, ihr Handy, mit dem sie Lory Bowman, ihre Freundin, angerufen und der sie von der Vergewaltigung erzählt hatte. Jennifer Wolfert hatte ein glasklares Motiv, ihre Fingerabdrücke waren die einzigen auf der Tatwaffe, die gynäkologische Untersuchung und der DNA Abgleich des Spermas ihres Peinigers bewiesen, dass sie von ihm vergewaltigt wurde, untermauert durch die Verletzungen ihrer Genitalien.

 Lory Bowman wurde bereits einen Tag später in das Galveston County Justice Center beordert und von der Staatsanwaltschaft verhört. Sie gab zu Protokoll: »Jenny hat gesagt, sie wird das Schwein abstechen

 Staatsanwalt Phillip Decker stellte Lory die entscheidende Frage: »Können Sie das vor Gericht beschwören?«

 Lory ließ sich für ihre Antwort auf diese Frage Zeit. Freundin gegen Rechtsempfinden. Bauch gegen Gewissen. Gefühl gegen Verstand. Dilemma gegen Klarheit. Schließlich nickte sie und ihre Lippen gaben ein verhaltenes »Ja« frei.

 Der Staatsanwalt sah ein schnelles Urteil in greifbarer Nähe. Alle weiteren Recherchen zur Entlastung legte er nach dieser Aussage ad acta. Eine vermeintliche lückenlose Schuldannahme, keine Löcher, die zu einer Unschuldsvermutung hätten führen müssen. Ungereimtheiten, die die Ermittler erkannten, wurde von Decker ignoriert.

 Die kriminaltechnische Untersuchung, die Spurensicherung, die Verhöre, die Aussage Lorys, die Tatsache, dass die mutmaßliche Täterin an Atropinheran kommen konnte und zudem damit umzugehen wusste, all diese Fakten ergaben rasch, dass nur eine Person als Mörder in Frage kam: Jennifer Wolfert

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Mein 1. Brief –

per DHL Einschreiben

An den lieben Gott

Himmelsthron

(Postleitzahl unbekannt) Himmel

Lieber Gott,

dieses Schreiben ist kein Tagebuch. Verzeih mir, wenn ich für all das, was ich dir sagen möchte, mein Gedächtnis bemühen muss. Gut, ich darf ja nicht lügen. Ich habe schon ein Tagebuch und manches habe ich darin nachgelesen. Nicht böse sein. Du hattest bisher ja nie Zeit für mich. Klar doch, bei den vielen Milliarden Menschen und Billionen Toten im Himmel kommst du kaum noch rum. Deshalb schreibe ich dir meine Geschichte. Kannst sie lesen, wenn du Zeit hast. Vielleicht an einem Sonntag, da ruhst du ja, weil es der siebente Tag der Woche ist.

In einer Woche ist wieder Samstag. Badetag. Mein Geburtstag. Warum hast du mich an einem Badetag auf die Welt geschickt? Du siehst doch alles. Weißt also, was der Badetag bedeutet. Also, in einer Woche kommt der große Tag. Badetag und mein Geburtstag. Das ist doch der richtige Tag, meinst du nicht auch? Ich meine der richtige Tag für meinen Tod. Ich habe ihn extra auf dieses Datum gelegt. Gestorben bin ich ja schon. Wenn ich dir diese Zeilen in einer Woche zu Ende geschrieben habe, warte ich auf den Tod. Also, den Tod, der nach dem Sterben kommt.

Ich bin mir eben gar nicht sicher, ob der Tod wirklich die Erlösung ist. Aber weil dein Sohn auch gestorben ist und alle Menschen sagen, er sei der Erlöser, gilt das sicher auch für mich. Ich erlöse ja nur mich, nicht die anderen. Ich rechne fest damit, dass ich dann einmal persönlich mit dir sprechen kann. Da ich mir aber, ganz ehrlich gesagt, überhaupt nicht sicher bin, will ich mir alles von der Seele schreiben. Und wenn ich dann tot bin, dann nimmt meine Seele den Brief an dich mit und du erfährst, warum ich den Tod gewählt habe. Vielleicht kannst du mir dann verzeihen. Ich weiß ja, dass man nicht selbst den Tod wählen darf, aber vielleicht ist es dir möglich, eine Ausnahme zu machen. Darum schreibe ich dir all das auf.

Ich erinnere mich noch an unseren ersten Badetag. Aliena und ich lagen im Bett. Aliena hat nicht geweint. Ich schon. Ich habe das Blut gesehen. Ihr Blut, bei mir war es nicht so viel Blut, bei ihr schon. Ich habe geahnt, dass sich der Badetag wiederholen wird. Hat er sich auch, jede Woche. Aliena hat es geschafft, glaube ich jedenfalls. Ich bin zu schwach. Verzeih mir, lieber Gott. Ich schwöre dir, ich habe es versucht. Aber du weißt ja, all die Messer und Papas Rasierklingen, die meine Haut aufgeritzt haben, konnten mir nicht helfen. Ich habe die Nahrung, die sie mir gegeben haben, ausgekotzt – Entschuldigung – meine natürlich, habe mich übergeben. Ich habe mir den Kopf an der Türkante angeschlagen. Sie haben die Platzwunde wieder zugenäht und ich war einigermaßen hässlich. Hat nichts geholfen. Doch ich will dich wirklich nicht anschwindeln. Der nächste Badetag ist ausgefallen. Für mich. Für Aliena nicht. Aliena ist so hübsch. Vielleicht, weil sie so traurige Augen hat. Ich bin nie so hübsch gewesen wie sie. Glaube ich jedenfalls nicht, aber das kannst du sicherlich besser beurteilen.

Darf ich dir eine Frage stellen, lieber Gott? Du liebst doch alle Menschen. Alle. Warum liebst du mich nicht?  Ich frage dich, weil ich morgen weiter an dich schreiben werde. Du weißt ja, wegen dem Badetag. Heute in sieben Tagen. Also, wenn du mich doch liebst, dann melde dich. Weil, wenn das so ist, dann reden wir über den nächsten Samstag und dann überlege ich mir das mit dem Tod noch mal. Bin ja auch unschlüssig, weil ich nicht weiß, ob ich noch mal auf die Welt kommen müsste, wenn ich den Tod freiwillig wähle. Und noch mal auf diese Welt kommen möchte ich nicht, es sei denn als Tier, am besten eines das im Wald lebt. Also für heute mache ich mal eine Pause. Falls du dich meldest. Wenn nicht, schreib ich morgen weiter.

Schlaf gut, lieber Gott. Und für morgen wünsch ich dir einen schönen Sonntag. Wir ruhen uns dann beide aus. Ist das okay für dich? Also, mach’s gut.

Bis morgen,

S.

ENDE LESEPROBE

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